"La Strada" 2016

  Von 29. Juli bis 6. August 2016 ging in Graz zum 19. Mal das internationale Festival für Straßenkunst und Figurentheater - "La Strada" - über die Bühne.

(Texte © by "LaStrada, Graz")

"limits"

cirkus cirkör (se)

  "Als ich klein war, dachte ich, die Menschen bewegen sich rund um die Erde, um die Weltkugel im Gleichgewicht zu halten. Wenn wir Grenzen schließen und Zäune bauen, verursachen wir den Verlust dieser Balance und die Erde kippt", sagt Tilde Björfors, die sich seit der Gründung ihres Cirkus Cirkör künstlerisch mit Grenzen und ihrer Überwindung auseinandersetzt. Nie war dieses Thema aktueller als heute, und in der gefeierten Produktion "Limits" geht es um die Frage, wie real oder imaginär Grenzen aller Art sind. Wie weit sich die Grenzen des akrobatisch und künstlerisch Machbaren dehnen und Perspektiven auf den Kopf stellen lassen, zeigt die diesjährige Eröffnungsproduktion von La Strada in einzigartiger Weise und stellt das Publikum auf eine echte Wahrnehmungsprobe.

"ich:sucht:leben"

axe:körpertheater:graz (at)

  Der Grazer Stadtpavillon: sozialer Brennpunkt. Seit zwei Jahren Aktionsraum für ein künstlerisches Ensemble von Stadtparkbewohnern. Geleitet von Schauspielern und Sozialarbeitern arbeitet es an Improstücken. Eindringlich und provozierend erzählen die Darsteller von Lebens-Süchten. Das Sprech- und Körpertheaterstück - unter der Regie von Michael Labres - ist eine Überdosis Lebenswirklichkeit, die das Scheitern als notwendigen Erneuerungsprozeß versteht. Am Ende bewegen sich Menschen am Rande der Gesellschaft in das Zentrum unserer Aufmerksamkeit. Findet Begegnung auf Augenhöhe statt, begleitet durch Kompositionen von Patrick Dunst.

"caffe sola"

les zanimos (fr)

  Am Tisch des Exils breiten Puppenspielerin Maria Dicanto und andere Flüchtende ihre Schätze aus: Die Lieder und Erinnerungen, die sie mitbringen, und die berührenden Geschichten von der Flucht und Migration, die sie erzählen. Und stellen sich, den Kindern und ihren Eltern die Frage, welche Identität man mitbringt und welche man sich aneignet im neuen Land.

"final season"
 

spielraum ensemble (at)

  "Raus mit dem Theater aus dem Theater": Unter diesem Motto verwirklichen sich Lisa Horvath, Theaterschaffende und multidisziplinäre Künstlerin, und ihr Spielraum Ensemble mit "Final Season" einen langgehegten Traum, in dem Kunst, Natur und Stadt aufeinandertreffen. Die Fusion aus Theater, Tanz, Hörspiel, Performance, Musik und Multimedia-Installation findet in einem Zeltcamp statt, in dem derjenige sein Geld zurück erhält, der es dort eine ganze Nacht lang aushält. Denn die Teilnehmer, die sich auf die Reise in dieses Lager einlassen, wissen nicht, wo es hingeht, wenn sie auf unterschiedlichen Pfaden bei Einbruch der Dämmerung zum Zeltplatz geführt werden. Aus dem Inneren der Zelte dringen Stimmen - und es braucht eine ganze Weile, um geleitet von künstlerischen Illusionisten herauszufinden, mit wem man gemeinsam auf dieser Reise ist. Zumal dann, wenn plötzlich die Grenzen zwischen Beobachtern, Teilnehmern und Eindringlingen verschwimmen ...

"zwischen den bäumen"
 

tao! - theater am ortweinplatz (at)

  Manchmal spielt´s Fellini auch auf dem Ortweinplatz: Mit ihrer Produktion "Zwischen den Bäumen" bringen elf Jugendliche der TaO!- Werkstätten und fünf Musiker das Flair einer italienischen Piazza nach Graz. In einer poetischen Parade zu den Klängen von Nino Rota zeigen sie ein rhythmisches Spiel von Liebe und Einsamkeit.

"a no man show - an evening with andy warhol"

united puppets (de)

  Wenn Andy Warhol sich mit Mickey Mouse unterhält und Nico dazu singt, wird es intereßant. Die Berliner Puppenspieler von United Puppets laden mit "A No Man Show - An Evening with Andy Warhol" zu einem Abend mit dem Großmeister der Kunst, der Selbstdarstellung, der Medialisierung und des Konsums und blicken aus heutiger Perspektive zurück auf das Prinzip Andy Warhol. Sie folgen dabei den Spuren, die seine Factory hinterlaßen hat, reanimieren die alten Mythen der US-Popkultur und lassen die knapp einen Meter große, zartblasse Puppe des Meisters ihren globalisierten Widergängern begegnen. Ausgangspunkt des Puppentheaters und Installationsprojektes ist dabei ein großes Theaterprojekt, das Warhol gemeinsam mit Peter Sellers und Lewis Allen für den Broadway entwickelte, vor seinem Tod allerdings nicht mehr realisieren konnte. Bis er jetzt - virtuos bewegt - doch damit in Graz auf der Bühne steht.

"wandering orquestra"

wandering orquestra (es)

  Was für ein wunderbarer Wahnsinn: Erst taucht das seltsame Orchester mit seinen altertümlichen Instrumenten in einem noch seltsameren Fahrzeug auf. Dann wären die großspurigen Musiker zwar bereit, mit ihrem Konzert zu beginnen - aber niemand weiß, wo sie spielen, wohin es geht oder mit wem sie reden sollen. Und das ist auch gut so und macht überhaupt gar nichts!

"nola 2nd line - opus 2"

zygos brass band (fr)

  Sie bringt das Lebensgefühl und die Musik des Mississippi an die Mur: Schon im Vorjahr sorgte die Zygos Brass Band für Bewegung in den Straßen der Stadt, heuer kommt sie mit einer neuen, geheimnisumwitterten Produktion wieder. Nur so viel sei verraten, die Künstler bringen Masken mit und die Elemente des Voodoo sollen dabei eine große Rolle spielen.

"miss dolly"

marcel et ses drôles de femmes (fr)

  Schöner scheitern am Hauptplatz: Wenn die Compagnie Marcel et ses Drôles de Femmes sich von Trapez zu Trapez schwingt und dabei nicht immer alles wie der wahr gewordene Traum vom Fliegen aussieht, ist das durchaus Absicht - und ungemein unterhaltsam. Denn die vier Absolventen der legendären Artistenschulen National Circus School of Rosny Sous-Bois und National Centre of Circus Arts in Châlons-en-Champagne stürzen nicht etwa versehentlich aus schwindelnden Höhen, sondern begegnen dem Risiko mit bewußter Naivität, Leichtigkeit, Professionalität und vor allem mit jeder Menge Humor. Eine atemberaubende Produktion, die die Künstler als "Gedicht seltsamer Körper, eine Sprache, die mit allen spricht, eine Mischung aus Zittern und Adrenalin, ein Engagement ohne Ende und einen Zirkus von grauenhafter Schönheit" beschreiben.

"bizangos"

rara woulib (fr)

  Heilige Clowns, Geschichtenerzählerinnen, Monster und eine Wahrsagerin wie einst Cassandra nehmen ihr Publikum mit auf eine Reise, auf der längst vergessene Erinnerungen und Gefühle an ungeahnten Orten wieder belebt werden. Die Künstler der Compagnie Rara Woulib wissen die verbindende Kraft der Prozessionen virtuos zu nutzen, um in der Nacht die Charaktereigenschaften besonderer Orte ebenso zum Vorschein zu bringen wie jene der Teilnehmer. In verlassenen Gegenden der Stadt lassen die Akteure die Atmosphäre der Isolation, Verzweiflung, Leere und die Angst vor dem Unsichtbaren mit den Mitteln des Theaters, der Musik und des Impromptu wach werden; jene Gefühle, die ihre Wurzeln in unserer Kindheit haben. Eine unheimlich spannende Reise durch die Stadt und zu den eigenen Ängsten begleitet vom steirischen Chor Nota Bene.

"l´aimant"

compagnie lézards bleus (fr)

  Antoine Le Menestrel klettert die Fassaden der Gebäude hinauf, tanzt im Rhythmus der Architektur und interpretiert die Mauern der Stadt neu. In seinem Stück "L´ Aimant" ist der Fassadenkletterer auf der Suche nach der großen Liebe, erklimmt Balkone, klopft an Fenster, verschenkt Rosen oder ein Lächeln - und findet hoffentlich am Ende seine Julia.

"¿quieres ser mi amigo?"

murmuyo (cl)

  Im Vorjahr hat Murmuyo auf wunderbare Weise den Verkehr "geregelt" und die Herzen der Passanten erobert, heuer kommt er auf der Suche nach Freunden zurück. ¿Quieres ser mi amigo? - Willst du mein Freund sein? - heißt seine neue Produktion, in deren Mittelpunkt die Menschen und ein Stadtplan stehen - und am Ende ganz sicher jede Menge neuer Freundschaften.

"die gestiefelte katze"

theater zitadelle (de)

  Das sieht doch gut aus: Der böse Zauberer ist tot, ihr Herr ist ein glücklich verheirateter König und sie die erste Ministerin. Den Weg zu diesem Happy End für die gestiefelte Katze erzählt Daniel Wagner vom Theater Zitadelle in seinem rasanten und witzigen Puppenspiel - zu dem großzügiger Weise auch Eltern und Hundeliebhaber kommen dürfen.

"fanfare circa tsuica"

cheptel aleïkoum (fr)

  Die sorgfältige Ordnung klassischer Blaskapellen mit ihren geraden Linien und perfekten Formationen darf man getrost vergessen, wenn Cheptel Aleïkoum die Stadt erobert. Das wichtigste Ordnungsprinzip gilt für die Musiker wie fürs Publikum: "Nimm Dich nicht so ernst!" Die "akrobatische und gefährliche Brass Band" bringt ihre Zuschauer zum Klatschen, Tanzen, Lachen und Singen. Aber nicht nur das, sie ermutigt ausdrücklich auch zum Küssen all jener, die man gerade küssen will. Die Begleitmusik zum fröhlichen Herzen ist eine Mischung aus Balkanklängen und amerikanischem Jazz, um die herum die Instrumente und Körper der Musiker tanzen und eine unglaubliche Energie in die Straßen bringen.

"mesa para 2"

co.labse (es/at)

  Ein neues Restaurant eröffnet, die Liste der Reservierungen ist lang und ein Tisch für zwei reserviert. Wie viele Unfälle und andere Katastrophen passieren können, ehe man endlich an diesem Platz nehmen darf, zeigen Regisseur Sergi Estebanell und sein Kollektiv aus fünf Künstlern mit den Mitteln des Straßentheaters, der Clownerie und des Tanzes.

"open dance"

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  Wenn die Tango-Baustelle Graz am Wirken ist, dann verändert sich der Rhythmus der Stadt und ein Hauch von Buenos Aires weht durch die Kaiserfeldgasse. Tango die ganze Nacht, heißt es, wenn Christian Bakanic, Christian Wendt und Jörg Haberl dem Publikum voller Leidenschaft einen Klangteppich aus Jazz, modernen Grooves der Club-Szene, House und Drum´n´Bass zu Füßen legen. Eine virtuose Einladung zum Tanz auf der Straße ...

"la bourse ou la vie?"

compagnie lézards bleus (fr)

  In seiner Inszenierung "Geld oder Leben" spielt Antoine Le Menestrel, der "Artist der Höhe", an den Fassaden der Stadt mit den Ängsten und Entscheidungsprozessen ihrer Bewohner. Eine Performance um die Frage, was größer ist, der Mut oder die Angst. An deren Ende zwar die Mauern noch stehen werden wie eh und je - aber die Sichtweise sich vielleicht verändert hat.

"salome"

handmaids berlin (de)

  Sie ist eine gefährliche Person und wagt es, Unglaubliches zu wollen: Gleich und gleichberechtigt zu sein. Einfach so, und das obwohl sie eine Frau ist. Salome hat immer schon für Aufregung gesorgt, und tut das auch heuer bei La Strada. Die Künstlerinnen von Handmaids Berlin haben sich mit der Vielschichtigkeit dieses gefährlichen Wesens auseinandergesetzt und bieten der Freidenkerin eine neue Bühne, auf der die Geschichte Salomes als kraftvoller, selbstbestimmter Akt der Entmachtung des bestehenden Systems und Streben nach mehr Freiheit und Gleichheit dargestellt wird. Als ein papiernes Universum, in dem Herrscher zusammengefaltet und Königreiche zerrissen werden. Aber auch den Propheten Fragen gestellt werden - schließlich will man ja wissen, was in den Schriften jener Frau steht, die die Bibel überlebte und in jedem dritten Nachtklub tanzt.

"die kleine hexe"

handmaids berlin (de)

  Auch kleine Hexen haben Träume, die beim Großwerden helfen. Das zeigen die Handmaids Berlin mit ihrer Interpretation des bekannten Kinderbuchs, in dem eine junge Frau lernt, für ihre eigenen Ideale und Meinungen einzustehen und diese zu verteidigen. Eine Neuinterpretation ohne moralischen Zeigefinger, mit viel Spaß und ein bißchen Magie.

"-"

adrian schvarzstein (es)

  So nah war das La Strada-Publikum Adrian Schvarzstein noch nie: Der Schauspieler und Regisseur leitet einen Workshop, der in die Praxis des Straßentheaters einführt. Welche Chancen und Herausforderungen bietet der öffentliche Raum? Wie funktioniert die Interaktion zwischen Künstlern und Zuschauern? Wie entsteht durch Körpersprache, Improvisation, dem Setting und der gemeinsamen Arbeit der magische Moment einer Performance?

"mù, cinématique des fluides"

transe express (fr)

  Das große Finale von La Strada entführt in eine Welt voller Akrobatik, Poesie und Fantasie. Surrealistische Geschöpfe aus anderen Dimensionen lassen mit einem Ballett zwischen Himmel und Erde die Grenzen zwischen Diesseits und Jenseits verschwimmen, Wasserwesen erobern den Luftraum, Akrobaten schweben über dem Publikum und alles leuchtet fluoreszierend bunt. "Mù" folgt mit seiner "Reise von der Erde zum Mond" den Spuren des großen Jules Verne und zeigt seinem staunenden Publikum, wie anmutig und monumental zugleich es aussehen kann, sich zwischen illusionistischer Realität und realistischer Illusionen zu bewegen. Mit den Mitteln des zeitgenössischen Zirkus sorgen die französischen Künstler für offen stehende Münder und große Emotionen - und nehmen manchen Zuschauer dabei ganz wörtlich mit in schwindelerregende Höhen.



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