"La Strada" 2012

  Von 28. Juli 2012 bis 5. August 2012 ging in Graz das internationale Festival für Straßenkunst und Figurentheater - "La Strada" - über die Bühne.

(Texte © by "LaStrada, Graz")

"l´effet sphére"

compagnie des quidams - (fr)

  Riesige Frauen, die eine unbekannte Bürde schleppen. Ein kleiner Mann, der eifersüchtig über einen grauen Erdball wacht: Ein opulentes, buntes Spiel mit mythischen Bildern und magischem Licht erwartet die Teilnehmer dieser magischen Reise. Am Ende dieser besonderen Streetshow steht ein fröhlicher Befreiungsakt. Vorher locken die Darsteller zu einem fantasiereichen, ausgelassenen Umzug, der Musik und Augenlust für alle Altersgruppen bietet und auch als bilderstarke ökologische Metapher funktioniert. Ein durch und durch planettes Spektakel.

"hek"

de stijle, want - (nl)

  Absperrgitter hasst man gern. Immer sind sie im Weg. Dabei können diese zum Schlafplatz werden, zum Fitnessgerät, zum Musikinstrument, sogar zum Dach überm Kopf: Man muss es halt nur richtig anpacken - und das tun die beiden Herren in Orange. Was sie mit dem Gitter alles anstellen, ist unglaublich komisch, denn die Künstler spielen gleichzeitig mit dem Stahlgerüst und dem Publikum. Bessere Sperrzonen? Gibt es nicht.

"loin / lontano"

les clandestines - (fr)

  Was bringt Menschen dazu, alles hinter sich zu lassen und in ein anderes Land aufzubrechen? Wie ist mit den brennenden Fragen von Exil und Migration in unserer Zeit umzugehen? Die hinreißenden Performerinnen von Les Clandestines suchen in alten und neuen italienischen Liedern nach den Bruchstellen von Tradition und Moderne, zeigen in Melodien, Gedichten, Briefen, historischen Dokumenten, was den Menschen, was seine Heimat ausmacht. In Workshops vorab wird das Thema erarbeitet und für die Situation in der Steiermark maßgeschneidert.

"streetwalker gallery"

kud ljud - (slo/at)

  Alltägliche urbane Zutaten verwandeln sich in Kunstobjekte, wenn ein Kurator die Besucher dieser städtischen Galerie mit auf Besichtigungstour nimmt. Zu sehen sind Skulpturen und Gemälde, interaktive Installationen und Performancekunst. Bald sind sich die Zuschauer nicht mehr sicher: Ist der dicke alte Herr, der da drüben seinen Hund äußerln führt, ein zufälliger Passant oder ein Performancekünstler? Oder beides? Die Grenzen zwischen Fiktion und Realität werden plötzlich durchlässig, und die Stadt wird zum Gesamtkunstwerk in dieser ready-made Galerie, die mit unserem Blick auf die Stadt, aber auch mit der zeitgenössischen Kunst und ihren Rezeptionsgewohnheiten spielt.

"harmonic fields"

pierre sauvageot / lieux publics cie - (fr)

  Andere dirigieren ein Orchester. Pierre Sauvageot dirigiert den Wind. Der gelernte Jazzmusikant, der in Graz etwa schon die legendäre "Babel.Platz.Symphonie" mit mehr als 100 Musikern auf dem Freiheitsplatz in Szene setzte, hat sich diesmal das liebste Ausflugsziel der Grazer ausgesucht und errichtet auf dem Schöckl-Gipfel seine "Harmonic Fields". Das ungewöhnliche Projekt verzaubert gleichzeitig als spektakuläre "Land Art" und als Hörerlebnis: Sauvageot fügt hier Windharfen und Glockenspiele, Klangschalen, Trommeln, Celli, balinesische Flöten und wohl auch ein Klapotetz aneinander. Es sind faszinierende Hundertschaften von Instrumenten, in deren Saiten, Ventilen, Membranen der Wind einen Spielplatz findet. Rein zufällig aber sind die Klänge nicht: Sauvageot sorgt für eine ausgeklügelte Balance aus Klang und Struktur. "Mir ist wichtig, dass hier nicht bloß seltsame Geräusche zirkulieren", sagt er. Das Musikerlebnis mit den Gesandten des Windgottes Äeolus entsteht letztlich auch aus den individuellen Reaktionen der Besucher beim Gang durch die Installation. Tatsächlich endet das windgespielte Stück manchmal mit einer zarten Coda, manchmal in einem triumphalen, auch durchaus dissonanten Finale - hängt ganz von Wind und Wetter ab. Eine magische Installation, die in den Luftströmen des Gipfels schwingt.

"le carrousel des moutons"

d´irque & fien - (be)

  Wenn ein Konzertflügel sich mitten im Spiel plötzlich auf sein einziges Hinterbein stellt: Ist das als Protest gegen die Pianistin zu sehen? Ganz und gar nicht, wenn Dirk und Fien mit von der Partie sind: Der Flügel wird zum Akrobaten, wenn die beiden ihr Karussell der Schafe in Betrieb nehmen. Da wird musiziert und balanciert, dass es eine Freude ist, Dinge und Persönlichkeiten schweben durch die Luft, weil in dieser herrlich burlesken Show nicht nur die Fantasie so richtig abhebt. Tatsächlich etabliert sich das Klavier als dritter Mitspieler in einem Stück, randvoll mit Musik, Tanz und Akrobatik. Jonglierende Schafe, ein Trapezakt auf dem Besen: Im Wunderland von Dirk und Fien ist alles möglich. Die beiden flämischen Performer sind als Solokünstler seit längerem erfolgreich. Unter Aufsicht des langjährigen Grazer Lieblings Leandre entstand erstmal ein gemeinsames Stück, das querweltein Groß und Klein entzückt.

"les ravouilleurs"

jo bithume - (fr)

  Ein Zirkusorchester verlässt seinen angestammten Arbeitsplatz in der Manege für den größten Zirkus der Welt: die Straße. Und weil das Leben voller einzigartiger Gelegenheiten ist, ist auch der Sound der sechs Musiker ohne Beispiel und Vorbild. Eine Improvisationsshow im Vorübergehen - mit jedem Schritt werden neue Eindrücke ins musikalische Geschehen aufgenommen - Fahrrad- und Türklingeln, das Quietschen eines fröhlichen Babys und das Bremsgeräusch der Straßenbahn.

"far west 2037"

jo bithume - (fr)

  Die nahe Zukunft. Unter Anleitung eines visionären Architekten baut eine Handvoll Männer und Frauen an der Stadt ihrer Träume. Auf einer ausrangierten alten Ölplattform in einem vergessenen Winkel der Welt entsteht ihr Utopia, in dem Wasser, Energie, Müll in einem originellen Kreislauf generiert und entsorgt werden, in dem jeder Bewohner seine Fähigkeiten optimal nutzen kann und alles in schönster Harmonie miteinander koexistiert. Allerdings kommen nach 17 glückseligen Jahren neue Migranten an Bord der utopischen Stadt - und das verändert einiges. Überleben im Angesicht der ökologischen Bedrohung, die Eroberung neuer Lebensräume durch den Menschen, der Versuch, sich an neue Verhältnisse anzupassen, das Ringen um Toleranz und Akzeptanz im Umgang mit den anderen: "Far West 2037" ist reich an Motiven. Und dazu reich an optischen Eindrücken, denn die Reininghausgründe werden zum Ozean, in dem eine vierzehn Meter hohe Offshore-Plattform vor Anker geht. Rund 20 Schauspieler, Akrobaten, Musiker, Techniker bespielen die eindrucksvolle Struktur in einer Show, die eine bilder- und pointenreiche Zukunftsvision entwirft. Der Mensch als unberechenbarer Faktor in einem sonst überaus perfekten "Do it yourself-Paradies": Kaum jemand könnte das so prachtvoll umsetzen wie die in Graz bestens bekannte Compagnie Jo Bithume, die heuer übrigens ihr 30-jähriges Bestehen feiert.



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