"La Strada" 2007

  Das 10-jährige Jubiläum von "La Strada" fand von 27. Juli 2007 bis 4. August 2007 statt.
  In diesen 10 Jahren erlebte Graz, dass Unmögliches möglich ist. Dass Zirkus Tiefgang haben kann, wie mitreißend Maskentheater ist und wie Straße zum Begegnungsraum wird.

(Texte © by "LaStrada, Graz")

"démodés"

companyia la tal - (es)

  Das Leben ist ein Hund. Heutzutage werden ja nicht mehr bloß ungeliebte Tiere, sondern auch ausrangierte Spaßmacher am Straßenrand ausgesetzt. Das jedenfalls ist die Versuchsannahme von Leandre, der mit seinem melancholischen Schmäh die Herzen und Zwerchfälle so zärtlich massierte. Da standen sie also, die ausrangierten Clowns, noch im Kostüm, aber ohne Manege. Was gab es da zu lachen? Jede Menge, schließlich zeigten Leandre und seine "Altmodischen", dass Spaßmacher im Privatleben noch viel lustiger sind als auf der Bühne - und dass die Komik die Oberhand behält, auch wenn die Zeiten härter werden. Wunderbar altmodisches Clownstheater für die Straße, ein seltener, kostbarer Genuss.

"infinita"

familie flöz - (de)

  Der perfekt choreographierte Wirbel der Ereignisse ist das Markenzeichen der grandiosen Familie Flöz. Vier stumme Maskenspieler brillierten - unterstützt von raffinierten Schattenspielen und schwebender Musik - in dieser Komödie der Wirrungen, in der das Leben selbst die Hauptrolle spielt. Ein Stück voll sprühendem Witz, leiser Poesie, zart melancholisch und richtig schön traurig. Und ein wunderbares Beispiel für die Vitalität zeitgenössischen Maskentheaters in Europa.

"instrument monument"

décor sonore - (fr)

  In der Oper steckt Musik drin. Aber nicht so, wie wir dachten. Diesmal wurde das Haus selbst zum Instrument, zum Klangkörper eines Projekts, das Musik dort findet, wo man sonst eigentlich nicht so genau hinhört. Décor Sonore-Mastermind Michel Risse spürte mit dem Stethoskop Tönen nach und fand sie in den Tropfen des Springbrunnens am Opernring, im Ziegelwerk des klassizistischen Prachtbaus, im Gefieder der dicken Gipsengel. Für das Publikum bedeutete das ein reizvoll exotisches Spiel mit Schall und Raum - rund um das Opernhaus und mit der Skulptur des "Lichtschwertes".

"dans"

adrian schvarzstein & irma borges - (es)

  Das war ein fröhliches Wiedersehen mit einem der erklärten La Strada-Lieblinge: Seine genialen Soli als Clown - einmal als grünes Männchen, dann als Reisender im fahrenden Himmelbett - ergänzte Adrian Schvarzstein diesmal um den Part als hingebungsvoller Torero, der das Tanzen im Blut hat und, endlich beweibt, in glanzvollem Paarlauf majestätisch übers Pflaster gleitet. Zumindest eingangs, und was dann passierte, das lässt sich nicht beschreiben, dass konnte nur Adrian Schvarzstein (und wirklich nur er) formvollendet vorführen.

"cargo"

théâtre du centaure - (fr)

  Der Zentaur der griechischen Mythologie, halb Pferd, halb Mensch, steht für die Verschmelzung von Wildheit und Zivilisation, von animalischer Kraft und menschlichem Geist. Diese zauberische Verbindung griff das französische Théâtre du Centaure in einer Performance auf, die die Sehnsucht nach dem Mythischen perfekt in Szene setzte. Weit jenseits von Pferdeshowästhetik und Dressurschmalz erzählte "Cargo" von Helene, die davon träumt, alles hinter sich zu lassen, von ihrem Bruder Yvan, der seine Kraft aus dem Hier und Jetzt bezieht, und von Daoud, dem Immigranten, der Helenes Fernweh, ihre Lust, das Unbekannte zu erkunden, weiter anstachelt.

"das tapfere schneiderlein"

theater auf der zitadelle - (de)

  Schön, wenn die Abenteuer überstanden sind. Das tapfere Schneiderlein sitzt auf dem Thron, lässt die Füße und die Seele baumeln und seine Erlebnisse mit Riesen, Einhorn und Wildschein noch einmal Revue passieren. Erinnert sich an "Sieben auf einen Streich", an den skeptischen König und ist ein bisschen aufgeregt, wenn er an die Hochzeit mit der Prinzessin denkt: Die ist jetzt nämlich gleich! Schwungvoll, witzig und sehr musikalisch wurde Schneiderleins abenteuerlicher Weg zum Thron da ausfabuliert - und wie man ein guter König wird, lernten wir auch noch.

"i"

baro d´evel - (fr)

  "I" beschreibt ganz im Sinne des Cirque Nouveau einen Wanderer zwischen dem Jetzt und dem Damals, einen Clown, der irgendwo zwischen Spanien, Katalonien und Frankreich seine Geschichte, seine Sprache und vielleicht seine Identität zu finden hofft. Kann ein Akrobat politische Ereignisse aufgreifen? Baro d´Evel gelang dieser unglaubliche Spagat, indem sie einen Menschen zeigten, der sich immer neu erfinden muss, um zu überleben, dem sich Unsicherheit, Schicksal, Exil wie Schnee, Wind, Kälte auf den Körper schreiben. Wo liegen die Grenzen, die es zu überschreiten gilt, auf dem Weg oder im Inneren? "I" fand dafür verblüffende, magische, unnachahmliche Bilder.

"iliad"

asterions hus - (dk)

  Achilles ist sauer, weil Paris Helena entführt hat. Mehr musste man nicht wissen, um dieser rasanten Variante der Ilias folgen zu können. Drei Schauspieler, die mühelos in 36 (!) Rollen schlüpften, und eine große Kiste: Das genügte, um eine der größten Geschichten der Menschheit zu erzählen, extrem verdichtet, grotesk, tragisch, hoch körperlich - und plötzlich fast hyperreal, wenn ein Sportreporterpärchen einen der berühmtesten Zweikämpfe der abendländischen Literatur kommentiert. Durch und durch Theater, funkensprühend lustig und garantiert schnickschnackfrei.

"la serre"

jean paul lefeuvre & didier andré - (fr)

  In diesem Glashaus blühte der wunderbarste Unsinn, den man sich vorstellen kann: Zwei Gärtner zeigten zwischen Sonnenblumen und Margariten, dass man für eine perfekte Zirkusshow die Manege statt mit Tieren auch mit Pflanzen aufpeppen kann. Wer immer schon einmal wissen wollte, wie man mit einem Schubkarren tanzt oder mit Pflastersteinen jongliert, war hier genauso richtig wie Liebhaber ausgefeilten Slapsticks. Dabei erfolgten die Rollenwechsel zwischen dem G´scheiten und dem Blöden so blitzartig, dass man aufpassen musste, vor Lachen die Tricks, mit denen die beiden Akrobaten ihre sensationelle Körperbeherrschung bewiesen, ja nicht zu versäumen.

"steel band déambulatoire"

acousteel gang - (fr)

  Wenn Graz während La Strada mitten in der Karibik lag, dann war das der Verdienst der Steelband, deren klimpernde Glückseligkeit sich wie einen Hauch von Trinidad auf die Innenstadt legte. Angeführt von einem kleinen Mann mit einem großen Megaphon, legte die virtuose Gang eine Spur unwiderstehlicher Rhythmen durch die Gassen und Plätze, um schließlich bei Disko- und Ska-Standards zu landen, die mithilfe von Trommelstöcken, vielstimmigem Gesang und erstaunlich leichtfüßigem Tanz abgestaubt und neu belebt wurden.

"brut de décharge"

les pietons - (fr)

  Wie schön, dass der Überfluss der Konsumgesellschaft nicht nur uns in Herrlichkeit leben lässt! Fünf Ratten fühlen sich im Mist so pudelwohl, dass in ihnen die Künstlerseele erwacht: Und schon wird uns der Marsch geblasen, mit "Musik aus Müll", deren Instrumentarium Jean-Marie Maddeddu, La Strada-Fans kein Unbekannter, selbst handverlesen hat: Aus alten Lampen, Fernsehern, Wäschekörben, Verkehrsschildern und vielem mehr drang Musik, die davon erzählte, dass zuviel immer zuwenig ist, wie wir uns oft irren in unserem Urteil über das Hässliche und das Schöne. Und dass man mit Klang eine Stadt ganz leicht erobern kann.

"o ninho"

fiar - (pt)

  Das traditionelle Liedgut aus dem Alentejo und der akrobatische Seiltanz haben nichts miteinander gemeinsam. Das denken aber auch nur hoffnungslose Prosaiker, wenn sie die ernsthaften älteren Herren mit den breitkrempigen Hüten und den weichen Stimmen zu Füßen eines Mädchen sehen, das scheinbar schwerelos in den Lüften tanzt. Die Männer singen von ihren Tränen, und ihr Gesang verschmilzt mit den Bewegungen der Akrobatin über ihren Köpfen zu einem perfekten Bild von Schönheit und Melancholie. Dafür Augen, Ohren und Herz zu öffnen, ging ganz leicht.

"die werkstatt der schmetterlinge"

theater asou - (at)

  Die Geschichte spielt am Beginn der Welt, damals, als die Tiere und Pflanzen gemacht wurden. In der Insektenwerkstatt hat keiner Lust zu arbeiten, nur Rodolfa stören die kleinen krabbeligen Tiere nicht. Sie träumt von einem neuartigen Wesen, zart und bunt wie eine Blume, leicht wie ein Vogel. Was sie dabei erlebt, erzählte das Theater Asou nach einer Geschichte von Gioconda Belli - einfühlsam und getrieben von dem Glauben, "dass die Welt aus Poesie entstanden ist". Feines Objekt- und Figurentheater für Kinder und Erwachsene.

"the lazy kings"

transe express - (fr)

  Das rauschhafte, farbenprächtige Wuchern der Phantasie ist das Kennzeichen der unvergleichlich schrägen Paraden und Performances von Transe Express. Diesmal mündete ein Leichenzug in eine Himmelsfahrt: Die Himmelsmaschine hatte drei Flügel, sie spannten sich dreißig Meter weit und zwanzig Meter über dem Grund flog der König seinen Träumen und Göttern entgegen. Unter dem riesigen Mobile voller Akrobaten und seltsamen Getiers waren nicht weniger als vier Bühnenensembles aufgeboten, um mit Spiel und Musik ein großes Auditorium zu fesseln.



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